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Mentalisierungstraining

Was heißt „mentalisieren“?

Mentalisieren bezeichnet die Fähigkeit, sich mentale Zustände im eigenen Selbst und in anderen Menschen vorzustellen. Mentale Zustände können z.B. Bedürfnisse, Wünsche, Gefühle, Gedanken oder Fantasien über andere und sich selbst sein. Die Fähigkeit, sich mit mentalen Zuständen auseinandersetzen zu können, hilft dabei, Verhalten und Reaktionen anderer Menschen und sich selbst zu interpretieren. Die Mentalisierungsfähigkeit ist somit eine zentrale Determinante der Organisation des Selbst und der Affektregulierung.

Das Mentalisierungskonzept ist eng verbunden mit der Bindungstheorie, welche die Bindung zwischen Kind und dessen primärer Bezugsperson beschreibt. Eltern, die die mentalen zustände ihrer Kinder erkennen und angemessen darauf reagieren können, schaffen damit eine Basis für eine sichere Bindung ihrer Kinder. Sie ermöglichen damit auch, dass das Kind in diesen wichtigen Bindungen und Beziehungen selbst lernt zu mentalisieren – und das heißt neben den Wünschen der Eltern auch die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und formulieren zu können.

Das Konzept:

Ziel des Mentalisierungstrainings am Institut für Traumabearbeitung ist der Ausbau der Mentalisierungsfähigkeit und die Verbesserung der Feinfühligkeit von Eltern im Umgang mit ihren Kindern. Dem kindlichen Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit entspricht auf elterlicher Seite der Wunsch, den Kindern eine gute Entwicklung zu ermöglichen. Die dazu nötige Einfühlung ist allerdings störanfällig. Körperliche und psychische Krankheiten, belastende und krisenhafte Lebenssituationen, Traumatisierungen, etc. können diese Fähigkeit stark beeinträchtigen..

Das Mentalisierungstraining kann sowohl als Prävention gegen die Entwicklung eines nicht sicheren Bindungsmusters des Kindes in der Beziehung zu den Eltern als auch als Intervention bei Störungen der Eltern-Kind-Beziehungen eingesetzt werden. Dies soll durch gezielte und ganzheitliche Unterstützungen des natürlichen Wunsches geschehen, eine gute Mutter /ein guter Vater zu sein, die zugleich und unmittelbar dem Aufbau einer feinfühligen Eltern-Kind-Beziehung dienen.

Mit dem Mentalisierungstraining wird das elterliche Verständnis für kindliche Gefühle und Gedanken anhand von kognitiven und praktischen Methoden erarbeitet. Dies wirkt sich nachweisbar auf die Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern. Damit wird langfristig eine gute und sichere Entwicklung des Kindes gesichert.

Durchführung:

Das Mentalisierungstraining wird im Institut für Traumabearbeitung und Weiterbildung in Frankfurt a. M. in Einzel- und Gruppensetting angeboten. Ein Mentalisierungstraining im Einzelsetting erstreckt sich über 6 Monate. Dabei umfasst jede Sitzung 60 Minuten und findet einmal in der Woche statt. Im Einzelsetting wird das Mentalisierungstraining sehr individuell an die Bedürfnisse und Fähigkeiten des jeweiligen Eltern-Kind- oder Elternteil-Kind-Paares angepasst angeboten. Im Idealfall beinhaltet das Mentalisierungstraining abwechselnd und in auf einander folgenden Sitzungen (1) Interaktion zwischen Eltern/Elternteil und Kind und (2) gemeinsame Videoanalyse der vorangegangenen Interaktionssitzung mit dem/den Elternteil/Eltern. Die Interaktionssitzung kann frei gestaltet oder durch die Therapeutin angeleitet werden. Die Therapeutin dient als Modell, indem sie gemeinsam mit den Eltern das Mentalisieren anwendet. Im Rahmen des Mentalisierungstrainings werden verschiedene Hilfsmaterialen wie standardisierte Bildkarten, Spielzeuge, Mentalisierungstagebuch, Videos, etc. herangezogen.

Therapie:

Das Mentalisierungstraining kann weiterhin auch durch Psychotherapie für Eltern/ Elternteil und/oder Kind unterstützt werden, sofern notwendig. Wenn möglich bieten wird die begleitende Psychotherapie parallel am Institut an.

Ziel:

Mit fortschreitendem Prozess gewinnen die Elternteile/Eltern an Mentalisierungsfähigkeit, welche ihnen zunehmend ermöglicht, auch kritische Situationen aufzugreifen. Das Mentalisierungstraining setzt an der aktuellen Situation zwischen Elternteil/Eltern und Kind und ist durch Zielorientiertheit gekennzeichnet.

Ziel ist ein feinfühligerer, die kindlichen Bedürfnisse fokussierender Umgang der Eltern mit ihren Kindern, auf dem Hintergrund der gewachsenen Fähigkeit, sowohl eigene Bedürfnisse und Erlebenszustände wahrzunehmen und interpretieren zu können, wie auch die (davon unterschiedenen) ihrer Kinder.

Literaturangaben:

  • Fonagy, P., Gergely, G., Jurist, E. L., Target, M.: Affektregulierung, Mentalisierung und die Entwicklung des Selbst. Klett-Cotta, Stuttgart 2004.
  • Fonagy, P., Allen G.J. (Hrg): Mentalisierungsgestützte Therapie. Klett-Cotta, Stuttgart 2009.
  • Jon G. Allen, Peter Fonagy, Anthony W. Bateman: Mentalisieren in der psychotherapeutischen Praxis. Klett-Cotta, Stuttgart 2011.
  • Winnicott D. W. (1974): Reifungsprozesse und fördernde Umwelt. Studien zur Theorie der emotionalen Entwicklung, Gießen: Psychosozial-Verlag (dt. Neuaufl.: 2002).
  • Martin Dornes: Die emotionale Welt des Kindes. Fischer, Frankfurt a.M. 2000.
  • Ainsworth, M., Blehar, M. C., Waters, E., Wall, S. (1978): Patterns of Attachment: A Psychological Study of the Strange Situation. Erlbaum, Hillsdale (NY).
  • W.R. Bion (1962): Eine Theorie des Denkens. In: E.B. Spillius (1988) (Hrsg.): Melanie Klein heute, Bd. 1. Stuttgart (Verl. Intern. Psychoanal.) 1990, 225–235.